In Afrika gibt es vergleichsweise viel weniger Corona-Infektionen als in Europa oder Amerika. Zwar gehen Fachleute von einer hohen Dunkelziffer aus und es wird deutlich weniger getestet, trotzdem ist die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und die Sterblichkeit geringer. Auch hätten afrikanische Staaten Maßnahmen wie Reisebeschränkungen, Ausgangssperren und Schulschließungen früh umgesetzt.
Ein wichtiger Faktor ist die junge Bevölkerung – in den meisten afrikanischen Ländern sind nur 3 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt, in Deutschland sind es 18 %. Vor allem ältere Menschen sterben an Covid-19 (engl.: Corona Virus Disease 2019). Mit zunehmendem Alter nehmen Krankheiten wie Diabetes zu, Wohlstandserkrankungen und Übergewicht sind in Afrika seltener. Dagegen kommen Infektionskrankheiten wie HIV, Malaria oder Tuberkulose viel häufiger vor, trainieren aber das Immunsystem und könnten sich mildernd auf Covid-19-Erkrankungen auswirken. Evtl. spielen auch die Lebensbedingungen und das wärmere Klima eine Rolle. Ein großer Teil der Bevölkerung verbringt seine Zeit im Freien, außerdem ist Afrika weniger vernetzt, die Menschen sind nicht so mobil wie in Europa und das Virus kann sich weniger verbreiten.
Für die Parasitologie Maria Yazdanbakhsh von der Universität Leiden ist das Immunsystem entscheidend. Die Menschen in Afrika seien anderen Mikroorganismen und Parasiten ausgesetzt und diese würden das Immunsystem fundamental verändern. Zudem fehle eine bestimmte Gen-Variante aus dem Neandertaler-Erbe, das für schwere Covid-19-Verläufe sorge. Um die Pandemie besser zu verstehen ermutigt Yazdanbakhsh, den Blick auf Afrika zu richten. Dort sei der Verlauf anders und man könne daraus viel lernen. »Afrika ist eine Quelle der Inspiration«.
»Kufungisisa« ist aus der Shona-Sprache und heißt so viel wie „zu viel nachdenken“, gemeint sind Depressionen. Insbesondere in den Entwicklungsländern werden psychische Erkrankungen durch Konflikte, Krisen und Armut verschlimmert. Psychiater Dixon Chibanda aus Harare hatte die Idee, Großmütter zu Laientherapeutinnen auszubilden. Er fand Verbündete und setzte auf die Großmütter: Rückgrat, Herz und Verstand in vielen simbabwischen Familien, wo die Eltern-Generation durch HIV weggestorben ist. „Sie sind empathisch, die besten Zuhörerinnen, Geschichtenerzählerinnen und Trösterinnen, leben in Dörfern wo sie gebraucht werden und haben Zeit.“
Seit über 10 Jahren sitzen ältere Frauen auf Freundschafts-Bänken vor den Kliniken, hören zu und retten Leben. Im Schatten eines Avocado-Baumes erwartet Melania Motokari ihre Patienten. „Willkommen mein Kind“, begrüßt sie die junge Frau. „Hallo Gogo, Großmutter“ antwortet die Besucherin. Gogo ist die liebevolle Bezeichnung für alte kluge Damen. Ein bleibender Reichtum des Landes mit 662 Gogos, die Geduld und Zeit mitbringen, um Leid zu lindern. Dabei ist eine Frau mit Halluzinationen, in deren Kopf nachts Motoren dröhnen. Ein junger Mann, der sich mit codeinhaltigem Hustensaft berauscht. Die junge Mutter mit ihrem Baby, deren Vater seinen Lohn und die Sorgen in Maisbier ertränkt. Geschichten von Gewalt in der Ehe und sexuellem Missbrauch, von Armut, Angst, Einsamkeit … und immer wieder von HIV.
Gogo auf Freundschaftsbank wartet auf ihre Besucher
Die Erfolge der Freundschaftsbänke sind beeindruckend. Eine Studie der Universität von Simbabwe belegt, dass viele Patienten mit Angstzuständen nach den Gesprächen mit einer Gogo weniger Symptome von »Kufungisisa« aufwiesen. Ein Modell für arme Länder, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen geholfen werden kann.
Wegen steigender Corona-Infektionen konnte wiederum keine reguläre Ausschuss-Sitzung stattfinden, erneut musste eine Telefonkonferenz (TELKO) durchgeführt werden. Dabei wurden folgende Beschlüsse gefasst:
1. Bau einer Hütte für die Familie des Patenkindes Gamuchirai
Die 8-köpfige Famile lebt sehr beengt in 3 ärmlichen Rundhütten (s. Bericht 42.KW). Durch den Bau einer 2-Zimmer-Hütte für die 6 Kinder und Reparatur des Küchendaches für zusammen 1.200,– € soll die Familie unterstützt werden. Die Finanzierung erfolgt durch Spenden und freien Mitteln der KMG.
2. Wohnraum für heimatlose junge Menschen
Während junge Mädchen nach Abschluss der Schule oft von den Angehörigen gegen „Labola“ (= Brautgeld) verheiratet werden, finden Jungs kaum Unterkunft bei ihren Verwandten und sind ganz auf sich alleine gestellt. Nun soll ein Gelände gefunden werden, das Platz für junge Menschen zum Bau von Hütten und zum Wohnen bietet. Dabei ergeht eine Anfrage an den „Local Chief“, der als Häuptling im ländlichen Gebiet den Bau von Hütten genehmigen muss. Die KMG leistet die Anschubfinanzierung für den Kauf von Baumaterialien.
3. Lebensmittel für Patenkinder
Durch den Corona-Shutdown besteht bei vielen Patenkindern großer Mangel an Nahrungsmitteln. Der zusätzliche Bedarf soll zunächst aus Patengeldern gedeckt werden, die Zuteilung erfolgt in Abstimmung mit Schwester Katharina.
4. Jahreshauptversammlung (JHV) 2020
Aller Voraussicht nach ist wegen Corona die Durchführung der diesjährigen JHV nicht möglich. Daher werden die Berichte der Vorstände und der Kassenbericht im November auf die Homepage eingestellt und per E-Mail und auf dem Postweg an die Mitglieder und Pateneltern verschickt.
Die „Frauengruppe Deborah“ aus Oeffingen unterstützt bereits seit 2012 ihr Patenkind Gamuchirai und verfolgte mit großem Interesse den Bericht unserer Patenbeauftragten Margret und Sabine. Das aufgeweckte Mädchen ist an der Sekundarschule Bondolfi in der 4. Klasse und muss täglich 4 km zu Fuß gehen. Im schulischen Profil steht, dass sie sehr gute Leistungen zeigt und „jeden Tag in die Schule kommt“. Ihr Hobby ist Sport und Fußball, auf Distriktebene gewann sie beim 200-Meter-Lauf der U17-Mädchen eine Silbermedaille und spielt Fußball im Schul-Team.
Gamuchirai lebt nahe Masvingo zusammen mit den Eltern, 4 Geschwistern und dem kleinen Neffen, die älteste Schwester ist Alleinerziehende. Die Familie wohnt in ärmlichen grasbedeckten Rundhütten ohne elektrischen Strom. In der winzigen überfüllten Schlafzimmerhütte schlafen Mädchen und Jungen gemeinsam. Der Vater ist psychisch krank und neigt zu Gewalttätigkeiten. Ernährerin ist die Mutter, die neben der kargen Landwirtschaft in illegalen Minen nach Gold schürft. Hier kommt es häufig zu Missbrauchsfällen, wie die älteste Schwester leidvoll erfahren musste. Es besteht Mangel an Lebensmitteln und Kleidung, das Schulgeld ist kaum bezahlbar und der Vater braucht dauerhaft medizinische Unterstützung.
Alle Deborahs waren sehr berührt und sind ihrem Patenkind ein ganzes Stück näher gekommen. Sie wollen Gamuchirai weiter helfen, so gut wie sie können.
Nach über 6 Monaten Schließung wurde am 28. September der Unterricht in Simbabwe schrittweise wieder aufgenommen. Dies betrifft vor allem Schulklassen, die kurz vor den Abschlussprüfungen stehen. Auch erfolgte ein Aufruf des UN-Kinderhilfswerks UNICEF die Schulen im östlichen und südlichen Afrika wieder zu öffnen. UNICEF-Direktor Mohamed Malick Fall sprach von einer „beispiellosen Bildungskrise“, hervorgerufen durch die Pandemie. Radio und Online-Lernmethoden erreichen nicht alle Schüler, einige verloren auch die täglichen Mahlzeiten, die sie in der Schule erhalten haben. Weiter bemerkte Fall: „Verlorenes Lernen schadet Kindern und der Gemeinschaft, Gewalt gegen Kinder und Schwangerschaften im Teenager-Alter nehmen zu.“
Im Klassenzimmer der Primary School in Bondolfi
Der Minister für Hochschul- und Tertiärbildung in Simbabwe versprach zusätzliche Mittel für die Einhaltung der Covid-19-Richtlinien, doch widersetzt sich die simbabwische Lehrergewerkschaft einer Rückkehr in die Klassenzimmer. Die Lehrer verdienen ungefähr 100 US-Dollar im Monat, einschließlich einer COVID-19-Zulage von 75 US-Dollar. Sie fordern zusätzlich 500 US-Dollar, damit der Lebensunterhalt über die Armutsgrenze hinaus möglich wäre. Auch seien für eine Wiedereröffnung der Schulen etliche Sicherheitsprobleme noch nicht gelöst.